Brechung: Was ist astronomische Refraktion?
Bei Sonnenuntergang ist der obere Rand der Sonne auch dann noch sichtbar, wenn sie bereits komplett unterhalb des Horizonts steht – ein Ergebnis der astronomischen Refraktion.
Wann geht die Sonne auf und unter?
Lichtbrechung Erklärung
Entscheidend für die Refraktion, die Brechung des Lichts, ist der Übergang eines Lichtstrahls von einem Medium zu einem anderen. Das Medium ist der Stoff, das Material, durch den sich der Strahl fortbewegt – zum Beispiel Luft, Wasser, Glas oder ein Vakuum. Jedes dieser Medien hat eine unterschiedliche optische Dichte, auch Brechungsindex genannt. Je höher die optische Dichte des Mediums, desto langsamer breitet sich das Licht darin aus.
Reist nun ein Lichtstrahl von einem Medium in ein anderes, wird er durch die veränderte Ausbreitungsgeschwindigkeit an der Grenzfläche der zwei Medien in den meisten Fällen umgelenkt – er ändert seine Richtung.
Deswegen erscheint zum Beispiel ein gerader Trinkhalm in einem Glas Wasser abgeknickt: Wasser hat eine höhere optische Dichte als Luft, und so werden die vom Trinkhalm reflektierten Lichtstrahlen umgelenkt, bevor sie unsere Augen erreichen.
Atmosphäre bricht das Licht
Ähnlich verhält es sich mit den Lichtstrahlen der Sonne, des Mondes und der Sterne, die im Weltall zunächst in einem Vakuum unterwegs sind. Treffen diese Strahlen nun auf die Luft in der Erdatmosphäre, werden sie umgelenkt, denn Luft hat eine höhere optische Dichte als das Vakuum des Weltraums. Dieser Vorgang heißt astronomische Refraktion, er ist eine Spielart der terrestrischen Refraktion, auch atmosphärische Refraktion genannt.
Die Strahlen werden dabei gewissermaßen nach unten gebogen, in Richtung der Erdoberfläche. Stellen Sie sich nun also vor, Sie stehen am Strand und bewundern die Farben des Sonnenuntergangs. Die Sonne steht bereits knapp unterhalb des Horizonts. Ohne Refraktion würden sich die Sonnenstrahlen über Sie hinweg und wieder in den Weltraum bewegen. Da sie jedoch von der Luft in der Atmosphäre nach unten gebogen werden, in Richtung der Erdkrümmung, erreichen sie auch jetzt noch Ihre Augen, obwohl die Lichtquelle – die Sonne – geometrisch bereits unter dem Horizont steht.
Warum erscheint der Mond bei Mondaufgang größer?
Späterer Sonnenuntergang
Der Sonnenuntergang findet deswegen in der Regel ein paar Minuten später statt, als dies ohne Refraktion der Fall wäre. Dasselbe gilt selbstverständlich auch für den Monduntergang oder den Untergang eines Planeten. Je nach Wetterbedingungen ist die Verzögerung etwas kleiner oder größer, denn Temperatur und Luftdruck beeinflussen das Ausmaß der Refraktion. Je niedriger die Temperatur und je höher der Luftdruck, desto größer der Einfluss der Lichtbrechung.
Interessanterweise erhöht auch die Luftfeuchtigkeit den Brechungswinkel, wie Ollie Lewis, ein Forscher an der Universität Exeter in Großbritannien, beschreibt: „In den warmen, feuchten Sommermonaten kann der Effekt der Refraktion deutlich stärker und variabler auftreten kann als in den kühlen, trockeneren Wintermonaten.“
Hinweis: Unsere Zeiten für Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, für Mondaufgang und Monduntergang, sowie für den Auf- und Untergang von Planeten berücksichtigen automatisch den Effekt der astronomischen Refraktion. Bei unseren Berechnungen gehen wir von einem Standarddruck von 1013,25 hPa und einer Temperatur von 15°C aus.
Mehr Infos finden Sie unter “Wird die atmosphärische Refraktion (Lichtbrechung) berücksichtigt?” auf unserer Hilfeseite für den Sonnen-Rechner.
Auch andere Phänomene, die mit dem Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang einhergehen, werden durch die astronomische Refraktion verzögert oder beschleunigt, darunter
- die drei Phasen der Dämmerung,
- die goldene Stunde,
- die blaue Stunde
- und das Morgengrauen.
Größe und Reihenfolge der Planeten
Entfernung und Helligkeit der Planeten
Refraktion verzerrt den Himmel
Zudem hängt die Stärke der Refraktion davon ab, in welchem Winkel der Lichtstrahl auf das neue Medium trifft. Je flacher der Winkel, desto stärker wird das Licht umgelenkt. Trifft der Strahl im rechten Winkel (90°) auf das neue Medium, wird er nicht umgelenkt.
Dies bedeutet, dass sich die meisten Himmelskörper nicht tatsächlich an dem Ort befinden, an dem wir sie am Himmel sehen. In der Regel erscheinen sie etwas zu weit “oben”, also in Richtung des Zenits, der Position direkt über dem Beobachter. Nur diejenigen Himmelskörper, die sich tatsächlich im Zenit befinden, erscheinen in der korrekten Position, da ihre Strahlen im rechten Winkel auf die Atmosphäre treffen und deswegen nicht gebrochen werden.
Was und wann ist der wahre Mittag?
Je näher ein Himmelskörper dem Horizont kommt, desto weiter wird er Richtung Zenit verschoben. Deswegen ist der Effekt bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang besonders groß, denn hier treffen die Strahlen der Sonne in einem besonders flachen Winkel auf die Erdatmosphäre.